Wie schon beschrieben, kann man sich in Japan dem Tee nicht entziehen. Selbst ungesüßt in Tetra-Packs verpackt, verdrängt er die sonst inflationär vorkommende amerikanische Koffeinbrause aus dem Kühlschrank. Doch die Bedeutung von Tee für die japanische Kultur ist jedoch weit umfangreicher als der kapitalistische Verdrängungswettbewerb.

In Kyoto verliefen wir uns in ein kleines Haus in einer noch kleineren Seitenstraße und wohnten einer Teezeremonie bei. Der Zufall meinte es gut mit uns, denn wir waren mit der Gastgeberin alleine. In sehr minimaler Umgebung eröffneten uns die 45 Minuten einen völlig neuen Blick auf die Bedeutung der grünen Pflanze.

teezeremonie_meisterin

Wer nun denkt, eine Teezeremonie ist das gemütliche Zubereiten und Trinken von Tee und einem Plausch unter Freunden, der irrt. Man nennt die Zeremonie auch Teeritual, was den strengen Ablauf vielleicht etwas mehr verdeutlicht.

Nicht schlecht haben wir gestaunt, als uns unsere Gastgeberin mit akkuraten und zeitlich präzise eingeübten Handgriffen und Bewegungsabläufen je zwei Schluck Tee “zubereitete”. Nix mit “heißes Wasser auf Teebeutel kippen”! Die Zeremonie steht dem Zen nahe und ist daher ein religiöser Brauch. Die einzelnen Handgriffe hier zu beschreiben würde der Einnahme von Valium gleichen. Wer sich dafür interessiert, findet im Netz sehr spannende Dokumentationen.

teezeremonie_kaligraphie

In vergangenen Zeiten trafen sich besonders Samurais, die sich in ihrem oft sehr kurzen Leben, häufig und oft mit anderen Menschen trafen - bevor sie wenig später im Kampf fielen. Die Gastgeber der Teezeremonie müssen neben dem strengen Ablauf der Teezubereitung auch Fertigkeiten und Kenntnisse u.a. in Kaligraphie und Architektur vorweisen. Selbst erfahrene Zeremonienmeister lernen bis ins hohe Alter noch von ihren Lehrern.

Wir genossen die Ruhe der Zubereitung und die Einnahme der zwei Schlucke Tee. Anschließend durften wir uns selber Tee schaumig schlagen (!) und ein Gespräch mit der Gastgeberin über die Bedeutung einzelner Handgriffe und Gestiken führen (auf diese hier näher einzugehen würde den Rahmen sprengen).

Am Ende verließen wir das kleine Teehaus mit der Erkenntnis, dass auch die Zubereitung von Tee eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf uns haben kann, wenn wir den Teebeutel im Schrank lassen.

Bewaffnet mit den richtigen Utensilien werden wir uns dieses Erlebnis in Deutschland noch oft in Erinnerung rufen.