Wer unsere Reiseberichte verfolgt, der müsste sich schon wundern, warum wir nichts aus Indien schreiben und stetig über unsere Public-Viewing-Erlebnisse aus Kuala Lumpur berichten.

In der Tat haben wir uns entschlossen, drei Wochen im kulturellen Melting-Pot Kuala Lumpur zu bleiben. Aufgrund einer unerwarteten „beamtesken“ Bearbeitungsdauer unseres Visum für Indien waren wir gezwungen, unseren bereits gebuchten Flug zu stornieren. Da wir aber nun schon mal hier in KL sind, dachten wir, bleiben wir doch einfach und schauen mal, was Stadt und Leute uns zu bieten haben, wenn wir länger bleiben. Gesagt getan: Preis für´s Hotelzimmer runtergehandelt, Online-Verbindung aktiviert und 3 Wochen so leben, wie wir es in Hamburg machen würden – Entertainment, Shopping und Sport.

In da Hood: Inzwischen kennt man uns in der “Hood” Brickfields. Die Brüder Ragu und Raja schneiden mir nicht nur die Haare, sondern rufen auch in Tamil formulierte Begrüßungsphrasen quer über die Straße, wenn sie uns sehen und philosophieren mit mir über deutschen Fußball, Hinduismus und indische Paläste. Yoga, der Besitzer unseres Stamm-Inders, schaut mit uns Fußball und die beiden Inder, die den 24-Stunden-Supermarkt betreiben, haben auch schon gelernt, dass wir keine Italiener, sondern Deutsche sind und keine €-Geldmünzen zum Tauschen dabei haben. Selbst Bollywood-Stars statteten uns einen Besuch ab. So drehte im Old Town Coffee, gleich neben unserem Hotel, einer der großen Action-Helden der indischen Filmwerkstatt für einen neuen Film. Ganz Brickflied versammelte sich, um einen Blick auf Arjun Rampal zu erhaschen. So did we:

Bollywood-Ikone Arjun Rampal Bollywood-Ikone Arjun Rampal

Entertainment: Da das sich das angebotene Fernsehprogramm ausschließlich auf einen englischsprachigen Sender bezieht, der seine aktuellen drei Filme auf heavy-Rotation laufen lässt, trieb es uns vermehrt ins Kino: um es vorweg zu schicken: im letzten Jahr in Deutschland waren wir grob geschätzte drei Mal im Kino. Erinnern wir uns richtig, kostete uns das ca. 50 €. Entsprechend kann man und nicht als typische Cineasten bezeichnen.

Golden Screen Cinema im Pavilion Golden Screen Cinema im Pavilion

Anders in Kuala Lumpur. Angelockt von der super-duper-mega-Shopping Mall “Pavilion” an der Jalan Bukit Bintag, statteten wir den Golden Screen Cinemas – ausgestattet mit Wollsocken und Fleece-Jacken – einige Besuche mehr ab, als wir dies geplant hatten. Sieben Filme in drei Wochen ist eine unübliche Quote. Den Filmemachern wird es freuen, haben wir doch die Besucherzahlen signifikant beeinflusst. Hingegen haben sich die Besuche im modernen 13-Saal-Kinokomplex in unserem Reisebudget kaum bemerkbar gemacht. Etwa 140 Ringgit (umgerechnet 35 €) haben die Besuche gekostet - für 2 Personen wohlgemerkt. Obwohl der “Pavilion” eine Shopping-Mall mit durchweg europäischer Preisgestaltung ist, liegen die Preise für den Kinobesuch extrem unter deutschen Verhältnissen, bei gleicher bzw. besserer Saal-Ausstattung.

Hier die gesehenen Filme in Beliebtheitsreihenfolge: 1.) Sex and the City II 2.) Despicable me 3.) Eclipse - The Twilight-Saga 4.) Karate Kid mit Jaden Smith und Jackie Chan 5.) Killers mit Ashton Kutcher 6.) The Back-Up-Plan mit Jennifer Lopez. 7.) She´s out of my league

Shopping: Die Malaysier sind wahre Meister in der Errichtung spektakulärer Shopping-Malls. Dabei übertreffen sie uns Europäer nicht nur in Größe der Gebäude und Anzahl der Geschäfte, sondern auch in punkto Verrücktheit: Dachten wir, eine Achterbahn in der 10stöckigen Times-Square-Mall wäre schon abgefahren, fanden wir in der Sunway-Pyramide eine Eislaufbahn in der Mall integriert.

Eislaufbahn in mitten der Shopping-Mall “Sunway Pyramid” Eislaufbahn in mitten der Shopping-Mall “Sunway Pyramid”

Wer denkt, dass diese gigantischen Einkaufszentren mit ihren kilometerlangen Gängen und tausenden Shops brach liegen, der irrt. Wer klaustrophobische Veranlagungen hat, sollte besonders an Wochenenden einen großen Bogen um die Konsumtempel machen, da in den Öffnungszeiten zwischen 10 Uhr und 22 Uhr scheinbar alle Einwohner der Stadt in den Häusern unterwegs sind. Malayen, so sagte uns Yoga, seinen wahre Konsumenten. Kaufen als Hobby Nummer 1.

Roller-Coaster im Einkaufszentrum “Times Square” Roller-Coaster im Einkaufszentrum “Times Square”

Sport: Wie schon beim letzten Deutschlandspiel haben wir uns zum KulView, dem Public Viewing, begeben. Diesmal hatten 59.997 andere Fußballfans die gleiche Idee. Entsprechend fanden wir uns erst auf einer zugeparkten Straße wieder, dann auf einem völlig überfüllten Sportplatz. Geparkt wird, in Ermangelung von ausreichendem Platz, u.a. sechsspurig auf einer 4spurigen Straße. Eine notdürftig freigehaltene Fahrspur scheint zu reichen. Geduldig wartet man nach dem Spiel in seinem völlig zugeparkten Auto, dass sich seine Nachbarn einfinden, um den Weg frei zu räumen. Auch beim Endspiel waren wir fasziniert, mit welcher Begeisterung die Einwohner KLs für Holland oder Spanien bangten, hofften und jubelten. Die 60.000 Fans bescherten uns einen ganz besonderen Abschluß unserer WM in Asien.

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Endspiel der WM 2010: 60.000 Menschen in KL

Melting-Pot: Spricht man von Multikulti liegt Kuala Lumpur ganz weit vorne. Hier trafen wir Menschen aus Malaysia, Indien, Bangladesh, China, Japan, Europa & Amerika auf engstem Raum. Hier kleiden sich Frauen im Stil eines Magazins namens „Bitch“ und stolpern ihn ihren High-Heels direkt neben vollständig in schwarzes Tuch gehüllten Muslimen. Hier trifft der in Armani-Gehüllte mit seinem iPhone und Macbook auf Männer in weißen Kleidern gehüllt. Kuala Lumpur ist fleischgewordener Gegensatz und ein aufregendes Pflaster.

kl_mr_malaysia

Wie geht´s weiter? Mittlerweile haben wir auch unsere Weiterreise umgeplant, so dass wir Indien etwas aufschieben und uns zunächst in ein Land begeben, welches wir vor der Reise nicht auf dem Zettel hatten. Verraten wird´s später. Eins jedoch steht heute bereits fest: wir kommen nicht zum ursprünglich geplanten Termin, Ende August wieder. Wir werden Deutschland vielleicht erst wieder in der frostigen Jahreszeit betreten. Vielleicht.