Und plötzlich stehe ich auf der Bühne.

Neben

Ray

Cokes.

Ray Cokes hat Mitte der neunziger Jahre einer ganzen Generation gezeigt, wie Fernsehen funktioniert. Bis zu 60 Millionen Zuschauer versammelten sich vor den damals noch analogen Fernsehempfängern, um seine allabendliche Live-Talk-Show “MTV Most wanted” zu sehen. Manche lernten durch ihn in dieser Show sogar die englische Sprache. Cokes formte das Fernsehen und war Vorreiter für Shows und Moderatoren, die sein Konzept wenig später mehr schlecht als recht kopieren sollten.

Als er vor ein paar Wochen bei Harald Schmidt auftauchte und von seinem neuen Tour-Konzept “Ray´s Guesthouse - die Rock´n Talk-Show” sprach, da landeten umgehend zwei Karten für die Fabrik Altona in unserem Haushalt. Lockerer Talk und Live-Bands, alles improvisiert, so versprach er es. Er hat sich dran gehalten. Und wie.

Gestern Abend in der Fabrik Altona, kurz nach 20 Uhr war das Haus ausverkauft, Gäste mussten teilweise sogar stehen. Cäthe, Pohlmann, Ein Astronaut ziehen jüngeres Publikum, Triggerfinger & Ray Cokes älteres Publikum an. Ein Trailer aus der “guten alten MTV-Zeit” eröffnet den Abend, wenig später springt ein junger (54 Jahre!), dynamischer und quirliger Ray Cokes über die Bühne. So als wäre zwischen 1996, dem Ende von “Most Wanted”, und heute keine Zeit vergangen. Das uns an diesem Abend ein besonderes Format geboten wird, ist schnell klar. Gäste werden ausgesucht, um den im Publikumsraum sitzenden Musikern den ganzen Abend über Getränke auszuschenken, ein Pärchen darf es sich in einer Lümmelecke bei Prosecco gemütlich machen und bei The Astronaut versagt die Technik. Improvisation & Interaktion - wir haben das Gefühl, mitten drin zu sein.

[caption id=“attachment_867” align=“aligncenter” width=“700” caption=“Ray Cokes & ich (nicht im Bild)”] [/caption]

Dieses Gefühl wird dann irgendwann im Laufe des Abends zur real-existierenden Gewissheit, als ich mich plötzlich neben Ray Cokes auf der Bühne wiederfinde und mit ihm das berüchtigte “Glücksrad des Todes” spielen darf, die Weiterentwicklung der legendären „Bingo Wall of Death“ aus MTV-Zeiten. (Grüße an Thomas Knüwer) Ähnlich irritiert wie Ray Cokes war auch ich, als mich ein Los ein zweites Mal auf die Bühne zerrte. Hätte mich Robbie Williams gehört, wie ich sein “Angel” beim “Kash Karaoke” in Grund und Boden sag, er wäre taub geworden.

Aber es gab an diesem Abend auch sehr positive musikalische Überraschungen (für mich). Die belgische Band “Triggerfinger” sorgte mit einem fulminanten Auftritt für einen “Wow-Effekt”. Hier eine Kostprobe ihrer Interpretation von Lykke Li´s “Follow rivers”. httpv://www.youtube.com/watch?v=fzWQV5OiQQQ

Nie was von denen gehört, gleich in ihr Herzblut verliebt und am Ende der Veranstaltung das aktuelle Album (blaues Vinyl + CD + Poster + Autogramm) gekauft. Und das, obwohl ich keinen Rock höre. Eat this Urheberrechtsdiskutierer!

Warum aber schreibe ich hier in diesem Blog eigentlich darüber? Weil man an diesem Abend und mit diesem Konzept eine der wichtigsten Grundsteine für Erfolg sehen kann: “Leidenschaft”. Das komplette Konzept “Ray´s Guesthouse” ist scheinbar darauf aufgebaut. Das organisierte Chaos, kein scripted reality-Kram, jede Menge Herzblut sorgen für Authentizität, lassen den Konsumenten Teil werden. Engagement nennt man das Neudeutsch. Und auch wenn Ray Cokes seinen Stil in einer Zeit vor dem Internet entwickelt hat, so funktioniert er noch heute genauso wie früher. Es kommt also weniger auf´s Marketing als auf die Business-Basics drauf an.

Aber: Ist die deutsche Fernsehlandschaft wieder reif für “Ray´s Guesthouse”? Ich wünsche es ihr (mir) so sehr!

Nachtrag: hier die offiziellen Highlights des gestrigen Abends: httpv://www.youtube.com/watch?v=YWK3nxH5CVY