Gestern Abend fand zum zweiten Mal in Hamburg der Pubcrawl statt. Unter dem Motto “Social Heroes” wurde sich konstruktiv und polarisierend mit dem Thema Social Media, Journalismus und Online-Reputation auseinandergesetzt.

Was ist ein Pubcrawl? Wörtlich übersetzt heißt Pubcrawl “Kneipentour”. Im Hamburger Modell heißt das: zwei Gruppen besuchen abwechselnd zwei fußläufig entfernte Kneipen und werden dort von Pubcrawl-Speakern erwartet. Bei Bier, Wein und Wasser bezieht der jeweilige Speaker zu einem Thema Position und gibt Freiräume, um mit der Gruppe in Diskussion zu treten. Den Abschluß des Pubcrawls bildet ein Panel sowie eine gemeinsame Diskussion mit den Speakern.

Das durch Hamburg@Work initiierte Event konnte auch in seiner zweiten Ausgabe mit hochkarätigen Speakern und Social-Media-Insidern aufwarten. Wem beim Wort Social Media die Jalousien fallen, der sollte abwarten. Die Panel-Diskussion hielt so manche Überraschung bereit. Aber auch die Vertreter aus Journalismus brachten ordentlich Zündstoff für eine Diskussion mit. Speaker des Abends waren:

In der MXB-Bar erwartete uns Harald Ehren. Der Journalismus ist in Gefahr - so das Eingangsstatement von Harald Ehren - in Anbetracht der derzeitigen Wirtschaftssituation der Branche keine Überraschung. Ehren appellierte, den Journalisten als Garant für Kontrolle der Politik und echte Recherche anzuerkennen. Die derzeitige Entwicklung, dass journalistische Inhalte per Facebook-Like als relevant oder nichtig eingestuft werden kritisierte er ähnlich scharf wie die Entwicklung, dass Blogger sich zu Pseudo-Journalisten entwickeln, lediglich oberflächlich so wirken, aber dennoch kaum Recherchesicherheit garantieren können. In der Diskussion zeigte sich unter den Teilnehmer jedoch Kritik an seinen Thesen: Verliert der Journalismus durch fehlende Zielgruppenansprache an Bedeutung? Lassen sich Journalisten nicht ähnlich kaufen wie es Blogger tun?

In der Bar Sünde erwartete uns Christoph Krachten. Krachten formulierte starke Thesen, die ein recht eindeutiges Bild vom Wandel der Medienlandschaft und den damit verbundenen Herausforderungen verdeutlichen: “Es gibt kein Social Media - es gibt nur neue Medien, die andere verdrängen”. “Meine Tochter sagt immer: Fernsehen ist wie Youtube - nur kaputt.” “Nichts ist so alt wie die Zeitung von heute.”. Auf Youtube, dem Videoportal aus dem Hause Google, entwickeln sich neue Heroes, die auf innovative Art zeigen, wie heute Content an eine Zielgruppe ausgeliefert wird, die nichts mehr mit klassischem Medienkonsum zu tun hat. 14jährige Kids erreichen mit ihren Youtube-Kanälen mehr Menschen als es erfolgreiche Formate im klassischen TV schaffen. Und dennoch scheinen diese Entwicklungen von der “alten” Medienbranche geflissentlich übersehen zu werden. “Wie wird TV in 20 Jahren aussehen?”. Krachten´s Einschätzung: “Das wird es nicht mehr geben.”

Panel & Diskussion in der kopiba In der dritten Bar fand ein Panel mit Schwerpunkt Social-Media-Reputation statt. Welche Chancen bietet die Sichtbarkeit in sozialen Netzwerken Unternehmern? Um die Bedeutung von Social Media zum Einen als auch die Nutzung zum Anderen zu verdeutlichen, führe ich hier exemplarisch das Beispiel der Hamburger Rechtsanwältin Nina Dierks. Als Angehörige eines recht “konservativen” Berufszweiges, präsentiert sie sich und ihr Fachwissen in ihrem Social Media Recht Blog. Von Kollegen belächelt und teilweise angegriffen, gelang es ihr als regionale Anwältin die Aufmerksam von DAX30-Unternehmen auf sich zu ziehen, die trotz eines festen Anwaltsteams um Unterstützung in Diercks Fachbereich anfragten. Auch Jan C. Rode und Steffen Böttcher profitieren ebenfalls von ihrer publizistischen Arbeit im Netz und haben über die Jahre hinweg ihre Geschäftsmodelle dadurch angepasst und verändert.

Als heißen Abschluß des Abends betraten Harald Ehren und Christoph Krachten gemeinsam die Bühne. Obwohl beide Journalisten sind, hätte das Gap in der Sicht auf die zukünftige Veränderung der Branche kaum größer sein können. Es scheint mir, als versuche der klassische Journalismus krampfhaft an seinem historischen Vetriebsmodell festzuhalten. Die heranwachsende Generation neuer und innovativer Medien-Präsenter (Youtube-Stars), die sich an eine von den klassischen Medien weitgehend ausgegrenzte Zielgruppe wenden und diese für News begeistern, wird noch immer nicht ernst genommen. Pochte Ehren auf Journalismus als “Gatekeeper” muß die Frage gestellt werden, wie eine Story in Zukunft an die Zielgruppe transportiert wird. Hier liegt meiner Meinung nach das Grundproblem der Branche.

Zusammengefasst boten die polarisierenden Speaker sowie die Best-Practice-Beispiele einen guten Querschnitt über Chancen und Probleme von Social Media als Vertriebs- und Marketinginstrument. Der gestrige Pubcrawl bot einmal mehr die Gelegenheit, sich in lockerer Atmosphäre mit neuen Themen, spannenden Einblicken und kritischen Thesen auseinander zu setzen. Die in den Kneipen und auf den Wegen dazwischen entstandenen Bekanntschaften und geführten Gespräche rundeten die Veranstaltung als kreativen Abend ab.