In besinnlicher Nachweihnachtsstimmung fand vom 27.12. - 30.12. das jährliche Treffen der Hacker-Community im CCH statt. Für mich war es der erste Besuch beim Choas Computer Congress, dem 32C3. Der CCC “ist ein deutscher Verein, in dem sich Hacker zusammengeschlossen haben”.
Hacker? Sind das nicht dieser Mate-trinkenden Nerds, die sich in krimineller Absicht in Computersysteme reinhacken, um Geld und Daten zu stehlen, die Viren programmieren und Autos fernsteuern? Nein, es sind vielleicht die neuen Hüter der Demokratie.
80% - so die Quote der von mir besuchten Vorträge, bei denen ich fassungslos über das Gehörte war. Geschichten wie aus einem Science Fiction-Roman - nur eben Wirklichkeit 2015. Das alles auf extrem hohem Niveau: Fachbegriffe der Informatik, mathematische Formeln und Gleichungen zur Berechnung von kryptographischen Verfahren und komplexe Meta-Betrachtungen als Grundlage der Herleitung und Beweisführung.
12.000 Hacker und Interessierte berichteten und informierten sich über aktuelle Themen des digitalen Zeitgeschehens aus technischem und gesellschaftspolitischem Blickwinkel. Auch wenn das Kernthema technischer Natur war, wurde es bei allen Vorträgen mit der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung verbunden.
Überhaupt staunte ich nicht schlecht mit welche Ruhe und Konzentration die Themen besprochen wurden, mit welchem Einfallsreichtum Lücken und Brücken gesucht (und verdammt! gefunden werden). Zwar ist mir das Thema Hacker & Hackerethik nicht fremd, aber noch nie war ich so involviert und konnte den konkreten Nutzen von Hackern so deutlich erkennen.
Wir leben in einer Zeit eines Umbruchs der Gesellschaft und einer damit einhergehenden Verschiebung von Machtverhältnissen. Die digitalen Claims werden wie damals in der Goldgräberzeit verteilt. Während des Kongresses wurde mir klar, dass nicht nur in dieser Zeit Hackern die Rolle von Beratern und Fachexperten zuteil wird. Allein die in den vier Tagen aufgezeigten Sicherheitsdefizite in Systemen mit großer gesellschaftlichen Bedeutung, zeigt diese Notwendigkeit. Noch deutlich sichtbarer wird dies bei den Bestrebungen von Regierungsseite im Bereich der Überwachung.
Bereits heute klassifizieren Computersysteme Regionen in nordamerikanischen Großstädten und geben Vorhersagen über mögliche Gewalttaten. Die Polizei wird zum Ausführungsgehilfen für Computersysteme. Das Verhalten der Menschen wird von außen manipuliert.
Hier eine kleine Auswahl von Sessions, die mich persönlich beeindruckt haben:
So werden handelsübliche EC-Bezahl-Terminals gehackt und Geld umgeleitet
- Mit analytischer Leichtigkeit weist Vincent Haupert (Student der Informatik) auf die Manipulationsmöglichekiten der TAN-App der Sparkasse hin (und schafft es damit bis in die heute-Nachrichten vom ZDF)
- Mit großer Begeisterung nahm ein Hacker seinen eigenen VW unter die Lupe, um den Nebel im Diesel-Gate-Skandal zu lüften.
- Warum eine Fehlertolleranz von polizei- und erkennungsdienstlichen Algorythmus-Tools nicht lustig ist, erklärt Whitney Merril in ihrem Vortrag “Predicting Crime in a Big Data World”
- Es klingt wie Science Fiction, ist aber 2015 Realität gewesen - die Zusammenfassung von Sicherheits-Albträumen mit einer kleinen Prise Galgenhumor
- Max Schrems hat sich in 2015 mit Facebook angelegt und vor Gericht das Safe Harbor-Abkommen zu Fall gebracht. Sein gleichnamiger Vortrag ist nicht nur inhaltlich extrem sehenswert.
Alle Sessions können hier angesehen werden…
Fazit: Unsere Gesellschaft braucht mehr Hacker. Sie gehören, vom medial verursachten Rand, in die Mitte der Gesellschaft. Die Datensammelleidenschaft von Unternehmen und das Eindringen von Regierungen in die Privatsphäre von Bürgern können von uns Otto-Normal-Nutzern nicht verhindert werden. Im angespannten Interessenkonflikt von Gesellschaft vs. Politik & Wirtschaft gehören Hacker auf “unsere” Seite.