Zugegeben, es war wieder ein Kulturschock, den wir uns da angetan haben. Morgens in der kristallklaren Luft von Leh in den Flieger steigen und Mittag in der stinkenden Hitze Varanasi´s ankommen.

Varanasi ist das Zentrum des hinduistischen Glaubens und angeblich die älteste Stadt der Welt. An den Ghats des Ganges versammeln sich täglich bis zu 60.000 Gläubige, um sich zu waschen, sehen sie das septische (hochinfektiöse) Wasser des Ganges als Erlösung und Hoffnung für ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sowie Heilung an. Gangeswasser ist für sie Medizin. Insbesondere am frühen Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, sind die Stufen der Ghats bereits übervölkert mit Gläubigen, und erlauben einen spannenden Blick auf die Ausübung ihrer Religion.

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Eigentliche Besonderheit in Varanasi und Magnet für viele Reisende ist jedoch die öffentliche Verbrennung von Toten. Im brennenden Ghat „Manikarnika“ werden rund um die Uhr Verstorbene zuerst im Wasser des Flusses gewaschen und anschließend auf Scheiterhaufen von ihren Angehörigen verbrannt.

Auch wenn die Verstorbenen stets in ein orange-goldenes Tuch gewickelt sind, so ist es für uns Europäer mit dem eher „versteckten“ Umgang mit dem Tod eine Gewöhnung, zu sehen, wie die Angehörigen die Toten quer durch die Stadt zum Ghat tragen und dort den Flammen übergeben.

die lodernden Flammen des brennenden Ghats
die lodernden Flammen des brennenden Ghats

Wir haben uns nach Einbruch der Dunkelheit aufgemacht, uns durch die winzigen Gassen der Altstadt Varanasi´s zum brennenden Ghat durchzuschlängeln. Vorbei an uralten Gemäuern, dutzenden herumliegenden Rindern, Ziegen und Hunden, brodelnden & brutzelnden Pfannen, Müllbergen, Exkrementen und Souvenirläden standen wir plötzlich zwischen gigantischen Bergen von Holzscheiten – wir hatten unser Ziel erreicht. Als einzige Ausländer richteten sich die Blicke der Angehörigen, Schaulustigen und Betrüger auf uns. So dauerte es keine 10 Sekunden, bis man sich hilfsbereit bemühte, uns einen guten Blick auf die Szenerie zu verschaffen - natürlich nicht ohne finanziellen Hintergedanken.

Ließen uns die Gauner recht kalt, sorgte das, was sich knapp 10 Meter vor unseren Augen abspielte sicher nicht zur Erfrischung: ein alter Mann, der jüngst verstorben war, wurde von Familienmitgliedern aus seinem Leichentuch ausgewickelt, auf einen vorbereiteten Holzhaufen gelegt, mit einigen Holzscheiten bedeckt und mit Hilfe des „ewigen Feuers“ entzündete.

24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr brennen im Ghat die Scheiterhaufen und übergeben die Asche der verstorbenen Hindus dem heiligen Ganges. Als wir am Abend mit dem Nachtzug nach Kalkutta aufbrachen und den Ganges überquerten sahen wir in weiter Ferne am Ufer das Feuer lodern.

Und am Ende ist alles nur Asche.
Und am Ende ist alles nur Asche.